Darvin zu Ende gedacht

Ende Juli 1940 rattert der Bus der “Gemeinnützigen Transport GmbH” auf der Reichslandstrasse nach der Stadt Brandenburg. Seine Insassen sind geistig Zurückgebliebene und erbbiologisch Anormale*. Unter ihnen befindet sich auch die Dörr-Tochter Bobsi. Wir wollen ausser der Gedanken-, der Inspirations- und der Vergangenheitsfarbe unsere übrigen Regenbogenfarben den anderen Insassen für diese und die folgende Szene verleihen.

 

Ist das ein schöner Tag! Guck mal aus dem Fenster! Siehst du die Blumen? Ja. Wir sollen ja vorübergehend in ein neues Heim kommen, wie Schwester Roswitha sagte. Stimmt! Und sie sagte auch noch, dass wir es so schön haben werden wie im Paradies. Und später werden wir wieder zurückkehren, das hat der Onkel Doktor gesagt. Ja, das hat er gesagt. Die

 

Sonne scheint heut’ so schön. Wann werden wir im Paradies sein? Ja, ich freue mich schon darauf.

 

Bobsi: Aber warum haben denn unsere Schwestern und auch der Onkel Doktor geweint, als wir in den Omnibus stiegen? Die haben aus Kummer geweint. Meine Mutti weint auch jedesmal vor Kummer, wenn sie sich von mir verabschieden muss. Aber wir machen doch nur eine kurze Reise? Wir kommen doch bald zurück? Ja, sie haben aus Freude geweint, weil wir so eine schöne Reise machen dürfen.

 

Bobsi: Aber warum hat man dann unsere Tür zweimal verriegelt?

 

Damit wir nicht hinausfallen. Aber wir fallen doch nicht hinaus. Wir sind doch vernünftige Leute. Mir gefällt diese Fahrt nicht. Ich wäre lieber in Buch geblieben.

 

Bobsi: Ich würde am liebsten zurück zu meinem früheren Heim “Gottesschutz”. dasswar es am schönsten. Mein Papi hat mich auch zweimal besucht. Was wohl jetzt meine Mami und mein Papi machen?

 

Schaut doch bloss mal auf die Weide dassdraussen! Seht ihr die beiden Pferde? Sie beschnuppern sich. Die haben sich lieb. Ja, die Tiere haben sich lieb. Ich möchte alle Tiere am liebsten immer streicheln dürfen. Sollen wir die beiden Onkels in den weissen Kitteln fragen, ob sie anhalten, damit wir die Pferde streicheln können? Au ja! Au ja!

 

Bobsi: Hallo! Herr Fahrer!

 

Fahrer: Ja, was gibt es denn, ihr Hübschen?

 

Bobsi: Können wir mal anhalten? Wir wollen die Pferde streicheln.

 

Fahrer: Die sollen sich nur nicht so einen Blödsinn einfallen lassen. Wir halten sowieso gleich. Dann dürft ihr alle aussteigen. Und später könnt ihr dann so viele Tiere streicheln, wie ihr wollt.

 

Beifahrer: Ja, ihr Lieben! Wir sind gleich da. Ihr werdet noch heute eure Augen aufmachen und staunen dürfen. Wartet noch ein Weilchen. Ach, es ist schon schlimm, die Armen dort hinten so hinters Licht führen zu müssen. Aber so ist es gewiss das Beste für sie. Ich bin ja so froh, dass sie von allem keine Ahnung haben. Zweiundvierzig Frauen und Mädchen befördern wir heute “gemeinnützig”. Alle diese Unschuldigen sind für den “Gnadentod” ausgesucht worden. Die meisten von ihnen weilen schon jahrelang, manche sogar seit ihrer frühesten Kindheit, in Pflegeanstalten. Einige von ihnen wissen noch nicht einmal, dass sie in Deutschland wohnen und dass Adolf Hitler jetzt unsere Geschicke in die Hand genommen hat. Eigentlich finde ich es traurig, täglich diese schuldlosen Blöden aus den verschiedenen Irrenanstalten in die Zentralanstalt und von dort weiter nach dem alten Zuchthaus Brandenburg zu transportieren, wo wir sie unseren SS-Ärzten übergeben. Ich weiss natürlich ganz genau, was mit ihnen geschieht. Aber ich musste strengstes Stillschweigen geloben. Ich fühle mich so unwohl in meiner Haut. Aber wenn ich um Versetzung bäte, käme ich bestimmt an die Kriegsfront, und ausserdem wäre damit niemandem von den geistig Zurückgebliebenen gedient, denn ein anderer würde meinen Beifahrerplatz übernehmen. Diese “gemeinnützigen” Transporte rollen sowieso weiter. Sie sind des Führers Wille. Ja, der Führer muss es wissen. Ihn hat die “Vorsehung” dem deutschen Volk geschickt. Und wir können dieser Vorsehung am besten dienen, indem wir des Führers Befehle ausführen.

 

Fahrer: Gottseidank sind wir gleich da. Ich bin jedesmal froh, wenn ich meine Fracht ausgeladen habe. Wenn die dassdrin davon Wind bekämen, was eigentlich gespielt wird, dann bräche Panik aus. Was sollte ich dann wohl machen? Als ich diese Frage meinem Vorgesetzten stellte, sagte er: “Sie sehen, bisher ist noch kein Zwischenfall passiert. Sie müssen Ihren zu befördernden Idioten halt das Blaue vom Himmel herunter erzählen. Das sind doch alles geistig Zurückgesetzte. Die glauben doch an den Himmel und so’n Kabbes (Unfug). Lassen Sie sich halt etwas Geistreiches einfallen. Sie sind doch nicht von gestern, oder?” Mich hat man ja auch erst einmal zu einem Schulungskurs nach Bayern geschickt. dasswurden uns Vorträge gehalten, Statistiken erklärt und Filme gezeigt. Ja, der Führer hat schon recht. Diese Idioten sind Ballastexistenzen für unseren deutschen Volkskörper. Sie können dem Volk nicht zu Diensten sein, nein, sie verlangen noch menschliche und finanzielle Aufwendungen. Manch ein Zurückgebliebener hat den Staat schon über 50000 Mark gekostet an Unterkunft, Verpflegung, ärztlicher Betreuung und Personal. Jawohl, wir müssen, um als Volk stark zu werden, alle Untauglichen ausscheiden. Der Führer sagt ja auch in “Mein Kampf”, dass es “dem innersten Wollen der Natur” entspreche, wenn das Schlechtere und Schwächere dem Besseren und Stärkeren geopfert würde. Ja, er hat recht. “Wer ein Volk retten will, kann nur heroisch denken.” Der Führer braucht Mitarbeiter, die seinen Willen ausführen. Auch wenn diese Arbeit hart ist, werde ich mich bemühen, heroisch mitzuhandeln. Volksschmarotzer, Schädlinge und unwertes Leben müssen zum Heile des Gesamtvolkes ausgerottet werden. Darin müssen wir hart sein, sonst wird unser Tausendjähriges Reich nie bestehen können. Jetzt sind wir endlich da.

 

Der Wagen hält! Wir sind da! Wo sind denn die schönen Wiesen geblieben? Hier sind auch gar keine Tiere zum Streicheln. Hier sind nur Mauern. Und dort sind Fenster mit Gittern davor. Ob wohl dahinter das Paradies ist? Ich möchte wieder zurückfahren. Ich auch. Jetzt öffnet man die Türe.

 

Fahrer: So, wir sind da! Alle aussteigen!

 

Wo sind die Tiere zum Streicheln?

 

Fahrer: Alles nach der Reihe. Zuerst müsst ihr nach dort drüben gehen. Die Onkel Doktors wollen euch erst noch einmal ansehen. Heute habe ich aber eine lausige Fracht. Fast alles Mongoloide. dassgefielen mir die von gestern besser. Einige waren von ganz Gesunden überhaupt nicht zu unterscheiden. Aber die Ärzte wissen schon, was richtig ist. Alois, komm! Wir verdrücken uns jetzt. Unsere Aufgabe ist erledigt.

 

Beifahrer: Wart, ich gebe nur noch die Karteikarten ab. Dann gehen wir in die Kantine. Ich habe einen mordsmässigen Hunger.


Erster Arzt: So, stellt euch mal alle in eine Reihe! Wir müssen erst einmal zählen, ob ihr alle dassseid. Wo sind die Karteikarten?

 

Zweiter Arzt: Hier!

 

Erster Arzt: Jetzt macht mal alle euren Oberkörper frei. Wir müssen erst feststellen, ob ihr alle gesund seid. So, die Erste geht mal zu meinem Kollegen, und die Nächste kommt zu mir.

 

Aber wir haben doch schon mehrere Untersuchungen hinter uns? Warum müssen wir schon wieder untersucht werden? Wann hört das mal auf? Warum schauen sie auch in den Mund? Warum drücken sie bei einigen einen Stempel auf die Haut und bei anderen nicht? Ich will auch einen Stempel aufgedrückt haben.

 

Zweiter Arzt: Die Nächste bitte! Einige schöne Mädchen sind heute auch dabei. Keine von denen durfte heiraten, noch nicht einmal einen Idioten. Was sagte noch der Führer? Es sei “die heiligste Verpflichtung”, dafür zu sorgen, dass das Blut der deutschen “rein” erhalten bleibe. Ja, deutsche Mütter gebären etwa dreitausend idiotische oder epileptische Kinder im Jahr. Ein Grossteil geht auf direkte oder indirekte Vererbung zurück. Wir müssen unbedingt versuchen, dieses “Idiotenbazillus” Herr zu werden. Dabei darf man nicht zimperlich sein. Ja, diese Mongoloide hier hat zwei Goldzähne. dasswerde ich ihr gleich mal einen Stempel auf die Haut drücken, damit wir sie nachher hervorsuchen und ihren Mund nochmals aufmachen. Das bisschen Gold ist wohl das einzige, was sie in ihrem Leben zum Wohl des Staates beigetragen haben wird.

 

Kann ich mich wieder anziehen?

 

Zweiter Arzt: Noch nicht. Ihr dürft gleich erst duschen gehen. Und dann bekommt ihr neue Kleider.

dassfreue ich mich aber.

 

Zweiter Arzt: So, die Nächste bitte! ... Hannelore Dörr, geboren am 12.1.1909. Was für einen stattlichen Körper sie hat. Donnerwetter! Leider ist sie “unzurechnungsfähig”. Ihre Mutter ist eine Jüdin, hier steht es. Jetzt schickt man uns die erbkranken Halbjuden, nachher gewiss auch alle gesunden Volljuden. Ja, in einem “heroischen” Staat muss alles Steigerung sein. Die Juden sind die gefährlichsten Bazillen im deutschen Blut. Ich glaube, für mich wird dieses Letzte-Hand-Anlegen als Arzt unter Hitler nie aufhören.

 

Bobsi: Bekommen wir nachher auch etwas zu essen?

 

Zweiter Arzt: Euch sollen noch nachher vor lauter Herrlichkeiten die Augen übergehen. Sie glaubt an meine Worte. Wie dumm sie doch ist. Ja, solche Idioten dürfen nicht in unsrem Reich für nichts und wieder nichts miternährt werden. Sie halten nur unsere Entwicklung auf. Und diese schwarzen Kirchendiener sprechen von Humanität und Erhaltung allen Lebens. So ein Unsinn. Haben sie denn keine Vernunft? Der Führer hat endlich uns alle wieder auf das ewig gültige Naturgesetz hingewiesen. Er hat Darwin zu Ende gedacht. Alles Humanitätsgefasel schwächt den Volkskörper. Es verhindert sein Wachstum. Die Natur kennt keine Humanität. Hier gilt das Gesetz des Stärkeren. Der Stärkere vernichtet das Schwächere wie der Adler die Taube. Humanität ist Verkennung des Willens der Natur. Sie lähmt die Grösse. Die Nächste bitte!

 

Erster Arzt: Jetzt sind wir gleich mit der Untersuchung fertig. Sie ist ja doch nur eine Farce, denn in einigen Minuten kräht kein Hahn mehr nach ihrer Gesundheit. Dann müssen wir die vorgedruckten Trostbriefe ausfüllen und irgendeine Todesursache erfinden. Das macht mir noch die meiste Mühe, darf man doch nicht immer dasselbe schreiben, denn das könnte auffallen und Verdacht erregen. Alles geschieht ja unter dem Mantel der strengsten Verschwiegenheit, um nicht die Gefühle der Bevölkerung zu verletzen. Aber ihr Gefühl ist ja sowieso Hitler. Ich glaube, wenn wir öffentlich die Euthanasie zum Gesetz erhöben, wie es schon bei den Spartanern der Fall gewesen war, dann würde man sich sehr schnell damit abfinden, dass doch minderwertiges Leben im Volkskörper diesem nur zum Schaden gereicht. Aber Hitler war ja so feinfühlig und hat, auf die Angehörigen Rücksicht nehmend, die ganze Angelegenheit zur geheimen Reichssache erklärt. Er ist doch ein rücksichtsvoller Psychologe. Die Nächste bitte! Wir Ärzte sollen natürlich nach unserem Ermessen und von Fall zu Fall entscheiden. Aber wir wurden ja in Schulungskursen in Egelfing und anderswo in des Führers Willen eingeführt. Erst wurden uns äusserst harte Erbkrankheitsfälle vor Augen geführt, wo es eine Niedertracht gewesen wäre, in diesen Fällen nicht für den “Gnadentod” zu plädieren. Dann wurde uns vorgerechnet, dass in den letzten siebzig Jahren die Zahl der Insassen in den Heil- und Pflegeanstalten um 450 % zugenommen hat, während der gesunde Teil der Bevölkerung nur um 50 % zunahm. Dementsprechend wurde eine Zukunftsstatistik für das Jahr 2100 gezeigt, derzufolge dann die Erbuntüchtigen und die Idioten in der Mehrheit sein würden. Das war natürlich nur plumpe Propaganda. Aber ich wusste, auf was die Partei, das heisst, auf was der Führer hinaus wollte. Alles Minderwertige und Untüchtige soll gemäss dem göttlichen Naturgesetz aussortiert und ausgerottet werden. Im heutigen deutschen Reich darf nur der leben, welcher der “Gemeinheit” (!) nützt. “Recht ist, was dem Volke nützt!” Ja, ich habe begriffen. Ich werde die Nichtsnützer aussortieren. Zweimal ist es mir allerdings gelungen, jeweils einen Fast-Normalen, welchem wohl versehentlich ein rotes Kreuzchen auf die Karteikarte gesetzt wurde, zurückzuschicken. Nein, ich will immer gerecht sein. Und ich werde

 

mich immer für die Erhaltung des Lebenstüchtigen einsetzen. Mein Gewissen soll rein bleiben.

 

Zweiter Arzt: So! Jetzt führe ich euch alle zur Duschanlage. Im Vorraum könnt ihr euch ausziehen.

 

Warum sollen wir uns duschen? Ich habe mich erst gestern geduscht.

 

Erster Arzt: Ihr könntet noch Läuse und anderes “Tierische” an euch haben. Bevor ihr in die neuen Räume geführt werdet, müsst ihr alles Schmutzige hinter euch gelassen haben.

 

Gibt es dort auch weisse Betten?

 

Zweiter Arzt: Jawohl. Ihr könnt euch nachher ausruhen. Seelsorgende Schwestern werden euch zu euren Lagerstätten führen.

 

Können wir unsere Kleider nachher wieder anziehen?

 

Erster Arzt: Nein. Die braucht ihr nicht mehr. Nach der Dusche werdet ihr auf der anderen Seite hinausgeführt, wo man euch in Liebe erwartet und euch mit neuen Kleidern versehen wird.

 

Eu, das ist ja ganz prächtig! Ich freue mich schon auf meine neuen Kleider! Ich auch! Gibt es dort auch Spielsachen?

 

Erster Arzt: Ja, es gibt dort alles, was euch nur immer Freude machen könnte. Ihr sollt es besonders gut haben. Liebe Helfer werden euch pflegen.

 

Ich könnte vor Freude Sprünge machen. Vorher hatte ich meine Zweifel gehabt. Aber jetzt glaube ich wieder. Ja, auch ich bin jetzt getröstet. Ich traue den Ärzten doch nicht so ganz. Sie blicken so hintergründig. Gibt es dort auch Tiere zum Streicheln?

 

Zweiter Arzt: Es ist wie im Paradies. Glaubt mir. So, und jetzt tretet alle hier hinein unter die Duschen! Jetzt wollen wir schnell noch die Tür verriegeln, und dann kann es losgehen. Gottseidank soll “es” nicht mehr so lange dauern wie bisher. Wir haben heute ein wirkungsvolleres Gas bekommen. Ich werde durch das Guckloch mit ansehen, wie schnell es wirkt.


Drei Tage später erhält Rachel Dörr einen Brief. Nanu, ein Brief aus Brandenburg? Ich hatte gehofft, heute einen Brief von Hans aus Frankreich zu erhalten. Gottseidank gab es dort keine langwierigen Kämpfe, wo er sein Leben in Gefahr gebracht hätte. Ja, selbst er, der sich nie an einem Krieg beteiligen wollte, hatte es für klüger befunden, sich der Militärpflicht nicht zu widersetzen, sonst hätte man ihn in ein KZ gebracht. Aber ihm ist es aufgrund seiner Heilpraktikererfahrung gelungen, als Sanitäter eingestellt zu werden. Wenn ihm etwas passieren würde, wer würde Bobsi und mich dann noch schützen können und wollen? Nun, jetzt will ich erst einmal den Brief lesen. Es wird doch nicht etwas Schlimmes sein?
 

Brandenburg, den 28. Juli 1940

 

Sehr geehrter Herr Dörr!

 

Zu unserem aufrichtigen Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, dass Ihre Tochter Hannelore, die am 12. Juli auf ministerielle Anordnung gemäss Weisung des Reichsverteidigungskommissars in die hiesige Anstalt verlegt werden musste, unerwartet am 27. Juli infolge eines plötzlichen Blinddarmdurchbruchs verstorben ist.

 

Das kann doch gar nicht wahr sein! Nein! Bobsi ist nicht tot! Sie lebt! Sie war doch in Buch und nicht in Brandenburg. dassmuss eine Verwechslung vorliegen. Ganz sicher! Ausserdem hatte sie gar keinen Blinddarm mehr. Der ist ihr doch schon vor fünfzehn Jahren herausoperiert worden. Was steht noch im Brief?

 

Bei ihrer schweren unheilbaren Erkrankung bedeutet ihr Tod Erlösung für sie.

 

Auf Anweisung der Ortspolizei musste aus seuchenpolizeilichen Erwägungen heraus die Verstorbene sofort eingeäschert werden. Wir bitten um Mitteilung, an welchen Friedhof wir die Übersendung der Urne mit den sterblichen Resten der Heimgegangenen durch die Ortspolizeibehörde veranlassen sollen.

 

Die Kleidungsstücke der Verstorbenen, die keinen besonderen Wert darstellen und die bei der Desinfektion gelitten haben, wurden der Nationalsozialistischen Wohlfahrt überwiesen.

 

Heil Hitler! gez. Dr. Löscher
 

Nein! dassmuss eine Verwechslung vorliegen! Ganz bestimmt! Ich werde doch gleich mal in Buch anrufen, ob meine Bobsi wirklich nach Brandenburg verlegt wurde. Sie hatte doch gar keinen Blinddarm mehr.

 

Wenn du eine Frage hast, dann wollen wir wieder mit unserer uns zugemessenen Farbe in das Regenbogenbuch eintreten.

 

Dachten oder handelten alle SS-Ärzte so bestialisch?

 

Nun, vielleicht waren die beiden von uns Beäugten und Abgehorchten zwei Extremisten, obwohl es bestimmt noch extremere Ärzte gab. Aber wie du bemerkt hast, war auch bei der Gnadentodaktion das nationalsozialistische Raffinement, ja, der “Trick” aller ihrer Vorgehen nicht zu übersehen. Erst werden die noch unverdorbenen Parteifreunde für eine begründet “gute” Sache engagiert wie hier für die Euthanasie bei einigen “eindeutigen Ausnahmefällen”, und dann, sobald die anfänglichen Zustimmungen verbucht sind, eskaliert die Ausnutzung ihres Mitmachertums ins Uferlose. Ähnlich war es bei allem, was die Nazis taten. Alles, was sie planten, wurde anfänglich als eine vernünftige und dem Volk förderliche Sache hingestellt. Aber dann wurde das einmal ins Rollen Gebrachte ins Extrem gesteigert. So auch der Krieg. Als treuer und vaterlandsliebender deutscher wurde man von Hitler zum Baden in einem Fluss, dem Nationalismus, eingeladen. Kaum befand man sich in der Mitte des Flusses, so wurde man mit der starken Strömung hinweggerissen. Reichte man dem feurigen Diktator guten Glaubens den kleinen Finger, so wurde man sofort ins Feuer gezogen. Diese Übertölpelungen des naiven Bürgers waren typisch teuflisch, denn sie geschahen wissend, mit Berechnung und aus Hinterlist.

 

Es drängt mich, noch eine Frage zu stellen. Warum gibt es überhaupt “Idioten” auf Erden?

 

Auch als ein solcher kann man viele nützliche Erfahrungen machen. Aber meistens haben diese sich, bevor sie wieder inkarnierten, zur Verfügung gestellt, um anderen Seelen die Gelegenheit zu geben, an ihnen Nächstenliebe zu üben. Nicht das Naturgesetz des Stärkeren birgt die Lösung zur Erhöhung der Seele, sondern allein das Gesetz der Nächstenliebe.